
«Ohne es zu wollen, habe ich in meinem Leben schon vieles gemacht», sagt Karin Zbinden und lacht. Einen (Karriere-)Plan habe sie nicht gehabt. Es sei ihr einfach passiert. Ohne grosses Abwägen sei sie hier mal links, da mal rechts abgebogen. Angekommen ist sie trotzdem – als Sozialanthropologin im Hugo P. Cecchini Institut an der BFH-HAFL.
Begonnen hat der Berufsweg von Karin Zbinden als Primarschullehrerin. Zehn Jahre lang unterrichtete sie. Eines Tages erzählte sie zum x-ten Mal von den Römern. «Ich sah in die faszinierten und begeisterten Gesichter der Kinder und wusste: Dieses Gefühl will ich auch wieder einmal erleben», erzählt Zbinden. Zur Sozialanthropologie kam sie durch zahlreiche Reisen und längere Aufenthalte in Peru. «Ich realisierte, dass ich nicht genau verstand, wie dort alles zusammenhängt und warum die Menschen so leben», erläutert Karin Zbinden.
Zusammenhänge verstehen

Das Studium bezeichnet sie als Geschenk. «Ich habe es genossen, mit Erwachsenen lernen zu können», sagt sie. Einen Teil ihres Studiums absolvierte sie in der peruanischen Hauptstadt Lima und auch ihre Doktorarbeit widmete sie Peru, konkret der österreichisch-deutschen Kolonie Pozuzo.
Und was tut eine Sozialanthropologin an der BFH-HAFL? Einfach formuliert: Sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie sich Menschen die Welt erklären und wie sie in ihr funktionieren. Sie reflektiert: Was ist für die einen normal, was für die anderen? Das sind wichtige Fragen für Entwicklungsprojekte. «Denn», so Karin Zbinden, «die Lösungen müssen zum Leben der Menschen passen. Sie sollen nicht ein Problem lösen und dafür an anderer Stelle ein neues schaffen». Wer in einer Gesellschaft etwas verändern wolle, müsse deshalb erst die Zusammenhänge erkennen und verstehen. «In Laos hat sich beispielsweise im Verlauf eines Projekts gezeigt, wie wichtig für die Lehrpersonen vor Ort informelle Verbindungen sind. Und wir erkannten, wie stark die Lehrpersonen zusätzlich in weitere, oft gesellschaftlich bedeutsamere Aufgaben wie die Unterstützung von Angehörigen, die Froschzucht oder den Kleinhandel eingebunden sind», erklärt Zbinden.
Als Dozentin vermittelt Karin Zbinden den Student*innen sozialwissenschaftliche Methoden, betreut und berät sie im Hinblick auf ihr Praktikum im Ausland, wo sie in Entwicklungsprojekten mitarbeiten. «Im internationalen Kontext ist die Teilhabe wichtig. Die Menschen vor Ort sollen sich aktiv einbringen können. Dazu erfragen die Student*innen beispielsweise, wie Arbeiten früher ausgeführt wurden und wie heute», erklärt Zbinden.
Eine neue Schule für Laos

Karin Zbinden kann bei ihrer Arbeit auf viel Praxiserfahrung zurückgreifen. Sie begleitete beispielsweise das Projekt SURAFCO in Laos während zwölf Jahren. In Zusammenarbeit mit Entwicklungsorganisationen unterstützte die BFH-HAFL eine Landwirtschaftsmittelschule vor Ort dabei, sich marktwirtschaftlicher zu orientieren. Pädagogische, wirtschaftliche, agronomische und andere Themen wurden in Workshops bearbeitet. Dabei ging es um Inhaltliches, aber auch um den Unterricht an sich. «Früher lasen Dozent*innen im Unterricht aus Büchern vor. Heute schaffen sie zunehmend die Rahmenbedingungen, damit die Student*innen die Informationen selbstständig erarbeiten können», erläutert Zbinden.
Zurzeit ist Karin Zbinden vor allem in der Schweiz und ihren Nachbarländern tätig. «Seit einigen Jahren habe ich die wunderbare Gelegenheit, im Rahmen des ‘Alpenmasters’ mit interdisziplinären Gruppen in den Alpen unterwegs zu sein und die Zusammenhänge des Lebens in Gebirgsräumen zu erfahren», erzählt sie, wobei man spürt, dass ihr die Bergregionen besonders am Herzen liegen.
Bergsteigen, klettern und Gleitschirmfliegen

Privat heisst ihre Herzensdestination Peru. Sie hat dort bis heute insgesamt fast vier Jahre ihres Lebens verbracht – nicht zuletzt der Berge wegen. Auch in der Schweiz geniesst sie in der Höhe die Ruhe, das Entdecken neuer Pfade und den Weitblick. «Ich bewege mich vielfältig in den Bergen, gehe bergsteigen und klettern», erklärt sie.
Doch damit nicht genug: Vor drei Jahren fing Karin Zbinden mit dem Gleitschirmfliegen an. «Das ist wirklich unglaublich», schwärmt sie. Früher habe sie auf dem Berg oft den Wunsch gehabt, sich hinauszulehnen. Wohl deshalb sei ihr das Starten mit dem Gleitschirm leichtgefallen – ja fast ein wenig eine Erlösung gewesen. «Die Herausforderung kam erst in der Luft – der Umgang mit dem Wind, mit Kräften, die du nicht sehen kannst», sagt Zbinden. Das fasziniere sie.
Und doch, das Bergsteigen bleibt wichtig für sie: Im Frühling werde sie immer unruhig: «Ich schaue jeden Tag aus dem Fenster in die Berge, um zu sehen, wie viel Schnee es noch hat.» Denn die Berge in der Umgebung, die müsse sie einfach einmal im Jahr besteigen, um über die Krete zu schauen und sie zu entdecken – die Welt dahinter.
Hinweis: Alle Bilder dieses Beitrags wurden vor der Einführung der allgemeinen Maskenpflicht aufgenommen.