
Die Shenzhen Technology University (SZTU) ist ein sich rasant entwickelnder Hochschulcampus im Süden Chinas. In einem modernen Schulzimmer sitzen 30 chinesische Studierende – sie alle haben vor Kurzem das Gaokao bestanden, die strenge, landesweit einheitliche Aufnahmeprüfung für Hochschulen. Statt Laptops auf dem Pult halten die Studierenden Smartphones in ihren Händen. Kommuniziert wird hauptsächlich via WeChat, einem Chat-Dienst mit zahlreichen Zusatzfunktionen.
Einer solchen Szenerie stand Paul Ammann, Leiter des Forschungsbereichs International Management am Departement Technik und Informatik, bereits zweimal gegenüber. Als Gastdozent verbrachte er zuletzt im Oktober 2019 zwei Wochen an der SZTU und unterrichtete die Studierenden in internationalem Marketing. Ganz nach schweizerischem Vorbild verlangte Paul Ammann von den Studierenden, dass sie sich aktiv einbringen, Ideen präsentieren und Fragen stellen.
Weg vom Frontalunterricht
«Die Studierenden in China sind sich gewohnt, zuzuhören und auswendig zu lernen», erklärt Paul Ammann. Die Universität von Shenzhen wolle aber, dass das in Zukunft anders werde.
Als Gastdozent forderte er die chinesischen Studierenden deshalb heraus. Um das Eis der Zurückhaltung zu brechen, nahm Ammann alle Fragen positiv auf und besprach sie eingehend. Für manche Studierenden sei die englische Sprache eine zusätzliche Hürde gewesen, sich im Unterricht einzubringen, erzählt der Dozent. In solchen Fällen liess er die Fragen auf Chinesisch stellen und ein Mitstudent übernahm die Übersetzung.
Klar ist: Nicht nur die chinesischen Studierenden waren im Unterricht von Paul Ammann gefordert, sondern auch er selbst. Den Stoff, den er in Shenzhen vermittelte, habe er zwar schon unzählige Male unterrichtet. Trotzdem sei es für ihn «wie neu anfangen» gewesen, denn er musste herausfinden, was im Unterricht funktioniert und was nicht. Hinzu kam, dass die chinesischen Studierenden direkt von der Schule kommend noch keine Arbeitserfahrung mitbrachten und damit auf einem anderen Wissens- und Erfahrungsniveau waren, als er das von Studierenden an der Berner Fachhochschule gewohnt war.
Eigene Ideen entwickeln
Ausgehend vom Modell «Frontalunterricht» hatten die Studierenden in Shenzhen manchmal auch das Gefühl, dass Paul Ammann wenig theoretische Inhalte vermittle. Der Dozent erklärte ihnen dann, dass es in seinem Unterricht um «Learning by Doing» gehe, also darum, Methoden an Fallstudien anzuwenden, eigene Ideen zu entwickeln und gemeinsam in der Diskussion zu lernen.
Neuer Schwerpunkt bei Studienreisen

China interessiert Paul Ammann schon lange. Er führt seit mehreren Jahren Studienreisen nach Shanghai durch und besucht dort gemeinsam mit Executive MBA Studierenden ausgewählte Unternehmen. Durch die Kontakte, die er während seiner Zeit in Shenzhen geknüpft hat, wird die Studienreise jetzt modifiziert. Statt wie bisher acht Tage Shanghai stehen in Zukunft vier Tage Shanghai und vier Tage Shenzhen auf dem Programm. Den Aufenthalt in Shenzhen bereitet Ammann gemeinsam mit der SZTU vor. Geplant seien etwa Besuche beim Autohersteller BYD Auto, dem Telecomanbieter Huawei oder bei Tencent, dem Entwickler des erwähnten WeChat.
Das «mächtige China» verstehen
Für Paul Ammann steht fest: «Mit der Möglichkeit eines Aufenthalts in Shenzhen bietet die BFH ihren Dozierenden die Chance für ein echtes Jobenrichment. Die Arbeit als Gastdozent an der SZTU habe ihm noch einmal einen ganz anderen Einblick in ein Land eröffnet, das er bereits mehrfach bereist hatte. Davon profitiere natürlich auch die BFH als Bildungsinstitution. Denn China werde immer wichtiger für den globalen Markt – und das habe sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Das Wissen über das Land sei deshalb von grosser Bedeutung, und er gebe seine Erfahrungen seinen hiesigen Studierenden gern weiter. Diese seien es nämlich, die in Zukunft am Markt mit der chinesischen Konkurrenz umgehen müssten.